Ostbelgien

Projekt zur kostenlosen Bereitstellung von Fahrschulunterricht für Arbeitssuchende

Mobilität spielt eine zentrale Rolle bei der Arbeitssuche, und der Besitz eines Führer-scheins kann den Horizont von Arbeitssuchenden erheblich erweitern, indem er ihnen den Zugang zu einem Arbeitsplatz erleichtert, der möglicherweise weit von ihrem Wohnort entfernt ist. 
Darüber hinaus ist der Besitz eines Führerscheins für viele Arbeitsplätze zu einer Schlüsselqualifikation geworden, und das Fehlen eines Führerscheins kann ein großes Hindernis für die Beschäftigungsfähigkeit darstellen.

2020 hatte die Wallonie angekündigt, dass Arbeitssuchende ihren Führerschein kosten-los machen könnten. Die Kosten würden von der Regionalregierung übernommen wer-den. Konkret würde die wallonische Regionalregierung die Kosten für 30 praktische Fahrstunden sowie die Kosten für die theoretische und praktische Prüfung übernehmen.

In Antwort auf eine mündliche Frage hatten Sie erwähnt, dass auch die Deutschsprachige Gemeinschaft plant, sich im Rahmen des Projekts “Vermittlung aus einer Hand” intensiv mit diesem Thema zu befassen.

Werte Frau Ministerin, erlauben Sie mir, Ihnen die folgenden Fragen zu stellen:
1. Wie ist der aktuelle Stand zu diesem Projekt?
2. Wie bewerten Sie das Projekt?
3. Sehen Sie Anpassungen vor, um das Projekt noch attraktiver und auf die spezifischen Bedürfnisse der Deutschsprachigen Gemeinschaft auszurichten?

Antwort von Isabelle Weykmans (PFF), Ministerin für Kultur, Beschäftigung, Wirtschaftsförderung und ländliche Entwicklung:

Ich sehe das auch so, dass der PKW-Führerschein für Arbeitsuchende sehr wertvoll und oft unverzichtbar ist. Das haben uns auch die Arbeitsvermittler bestätigt. Das Projekt in der Wallonie zahlt – vereinfacht gesagt – den Führerschein für Arbeitsuchende, die bestimmte Ausbildungen beendet haben. Dazu wurde eine begrenzte Liste der Ausbildungen erstellt.  Sie zahlt unabhängig von der Einkommenssituation der Person. Unser Ansatz ist ein anderer.

Wir haben ein eigenes Pilotprojekt für die Deutschsprachige Gemeinschaft entwickelt. Es trägt den Namen „Mobil4Job“ und unterscheidet sich in einigen Punkten vom Wallonischen Modell.  Wir haben einen recht differenzierten Ansatz gewählt, mit einem zweige-teilten Fördermodell. Wir gehen von den Bedürfnissen der Person aus. Wir möchten keine Gießkannen-Förderung, sondern die Mittel gezielt da einsetzen, wo sie wirklich nötig sind, um etwas zu verändern.

Wir trennen die Theorie-Förderung und die Förderung der praktischen Stunden. Denn auf dem Weg zum Führerschein gibt es zwei entscheidende Hürden. Die erste Hürde besteht darin, die Theorie-Prüfung zu bestehen. Für Personen mit Lernschwierigkeiten oder für Anderssprachige sind die klassischen Theorie-Kurse der Fahrschulen nicht gut geeignet. In Zusammenarbeit mit der Alteo VoG bieten wir daher seit nun fast zwei Jahren regelmäßig vorbereitende Kurse in leichter Sprache an. In diesen Kursen ist das Tempo langsamer und die Schülergruppe kleiner. Die Kurse beinhalten mehr Stunden und sind auf die besonderen Bedarfe von Personen mit Lern- oder Sprachschwierigkeiten angepasst. Seit März 2022 haben insgesamt 6 Kurse stattgefunden, an denen rund 50 Personen teilgenommen haben. Die Zahl der Personen, die direkt nach dem Kurs besteht, ist leider trotz der intensiven Vorbereitung nicht so hoch. Wir wissen aktuell aber nicht genau, wie viele Personen inzwischen bestanden haben, da die Personen die Prüfungen wiederholen können und auch sollten.

Die zweite entscheidende Hürde auf dem Weg zum Führerschein sind die hohen Kosten der eigentlichen Fahrstunden.

Im teuersten Schulungsmodell werden 30 Fahrstunden verlangt. Die Kosten belaufen sich dann auf rund 1800 Euro. Hinzu kommen diverse Gebühren des Prüfzentrums.

Andere Schulungsmodelle sind günstiger. Diese setzten aber voraus, dass die Person für die benötigten „Übungskilometer“ ein Fahrzeug nutzen kann. Haushalte ohne Auto müssen also meist deutlich mehr Geld für den Führerschein aufbringen. Eine Förderung der Fahrstunden wird nur Arbeitsuchenden gewährt, die nachweislich ein sehr niedriges Haushaltseinkommen haben und die bereits die Theorie bestanden haben. Weitere Be-dingung:  für die Person muss sich bereits eine konkrete berufliche Perspektive abzeichnen. 
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Person gerade eine individuelle Ausbildung im Betrieb macht, oder ein konkretes, nach Einschätzung des Arbeitsberaters ein realistisches Berufsziel vorliegt. Arbeitsuchende, die noch sehr weit vom Arbeitsmarkt entfernt sind, oder noch am Anfang ihres Eingliederungsweges stehen, werden zurückgestellt.

Seit November 2022 bis heute haben wir 20 Zusagen erteilt. Davon haben inzwischen 9 Personen mit den Fahrstunden begonnen. Bestanden haben bislang 6 Personen.

Wer beide Förderungen benötigt, kann beide Förderungen erhalten. Aber das ist nicht immer der Fall, denn nicht jede Person mit Lernschwierigkeiten hat auch automatisch Schwierigkeiten mit der Finanzierung. Und nicht jede Person mit finanziellen Schwierigkeiten braucht besondere Hilfe bei der Theorievorbereitung. 

Kein Geld – kein Führerschein – kein Job – kein Geld: diesen Teufelskreis wollten wir durchbrechen. Anfang des nächsten Jahres, nach rund einem Jahr Förderung der praktischen Stunden und rund zwei Jahren angepasster Vorbereitungskurse, werden wir alle Teilnehmer kontaktieren und nachfragen, ob uns das gelungen ist. Anschließend werden wir das Pilotprojekt evaluieren ggf. anpassen und dekretal verankern.